In der Schweiz existierten bislang kaum wissenschaftliche Untersuchungen zu Präsenz, Bedeutung und Konfliktpotenzial von getragenen und an öffentlichen Gebäuden angebrachten religiösen Zeichen und Symbolen. Als solche gelten insbesondere christliche Kreuze, die jüdische Menora oder Kippa, islamische Kopf- und Körperbedeckungen, bildliche Darstellungen von Gott oder Heiligen sowie am Hals getragene kleine Anhänger mit religiöser Bedeutung. Die vom Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe für Empirische Religionsforschung (AGER) der Universität Bern erarbeitete Studie schliesst diese Lücke und bringt Klarheit in die häufig kontrovers diskutierte Thematik. Die Studie stützt sich auf die Analyse von sozialwissenschaftlicher und juristischer Literatur, von Gesetzgebung und Rechtsprechung und auf empirische Befragungen bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, bei Angehörigen religiöser Gruppen sowie bei Mitarbeitenden verschiedener Behörden.
Die sozialwissenschaftlichen Befragungen haben ergeben, dass Konflikte um religiöse Zeichen und Symbole in über 90 Prozent der Fälle ohne rechtliches Verfahren beigelegt werden. Auch aus der juristischen Literatur, Gesetzgebung und Rechtsprechung geht hervor, dass diese Streitigkeiten selten ein Ausmass erreichen, das einer gerichtlichen Klärung bedarf. Pragmatische Lösungen seien besser als starre Regeln. Falls es dennoch zu einem gerichtlichen Verfahren komme, liessen sich die Konflikte um religiöse Symbole und Zeichen mit den vorhandenen Regelungen und mit Hilfe der bundesgerichtlichen Praxis lösen, besagt die Studie weiter. Sie kommt deshalb zum Schluss, dass kein Gesetzgebungsbedarf bestehe.
Das Bundesamt für Justiz beauftragte das SKMR mit der Erarbeitung der Studie, nachdem der Nationalrat das Postulat Aeschi 13.3672 («Abklärung religiöser Fragestellungen») im Dezember 2013 angenommen hatte. Dieses forderte einen Bericht des Bundesrats zur Präsenz, Bedeutung und Konfliktpotenzial von getragenen und an öffentlichen Gebäuden angebrachten religiösen Zeichen und Symbolen. Der Bericht des Bundesrates wurde am 9. Juni 2017 veröffentlicht.